• 13.04.2023 11:10

  • von Roland Hildebrandt

VW Plattenwagen (1946): Der Urvater des Bulli ist zurück

Motor vom Käfer plus Pritsche: Der sogenannte "Plattenwagen" von Volkswagen gilt als ideeller Vorläufer des späteren VW Transporter

(Motorsport-Total.com/Motor1) - Experten von Volkswagen Nutzfahrzeuge haben den ersten Plattenwagen aus seltenen Originalteilen der 1940er Jahre rekonstruiert. Die Plattenwagen waren in der frühen Nachkriegszeit im Volkswagenwerk Wolfsburg für den innerbetrieblichen Transport konzipiert worden. Das Nutzfahrzeug dürfte auch die Initialzündung für den Transporter T1 gewesen sein.

Titel-Bild zur News: Rekonstruktion des ersten VW Plattenwagens von 1946

Rekonstruktion des ersten VW Plattenwagens von 1946 Zoom

Volkswagen Nutzfahrzeuge zeigt den neu aufgebauten Plattenwagen erstmals auf der Techno-Classica in Essen (Halle 3, 12. bis 16. April) und auf dem VW Bus Festival in Hannover (23. bis 25. Juni). Auf der Techno-Classica feiert zudem ein Unikat seine Messepremiere: der für den Einsatz im Hochgebirge gebaute T1 Raupen-Fuchs aus dem Jahr 1962.

Der neu aufgebaute Pritschenwagen schlägt eine Brücke über fast 80 Jahre, denn er ist eine detailgetreue Rekonstruktion der Urform dieses Transporters: Die Pritschenwagen wurden ab 1946 - Volkswagen stand noch unter britischer Militärregierung - aus Teilen des Typ 82 ("Kübelwagen") und des Käfer Typ 1 gebaut.

Bis in die 1990er-Jahre im Werk im Einsatz

Ursprünglich als Provisorium gedacht, waren die letzten Plattenwagen noch bis in die 1990er-Jahre in den Werken im Einsatz. Wie viele dieser heckgetriebenen Fahrzeuge gebaut wurden, ist nicht genau bekannt, da es sich nicht um eine offizielle Serienentwicklung handelte. Soweit bekannt, existiert nur noch ein modifiziertes Exemplar aus dem Jahr 1946, das sich bei einem Sammler in den USA befinden soll.

Historisch betrachtet könnte der Plattenwagen auch einer der Impulsgeber für eine der größten Ikonen der Automobilgeschichte gewesen sein: den Transporter T1 (Volkswagen Typ 2). Konstruktiv verbindet beide Fahrzeuge jedenfalls der im Heck angeordnete Vierzylinder-Boxermotor. Der jetzt im neu aufgebauten Pritschenwagen eingesetzte 1,1-Liter-Motor stammt aus dem Jahr 1944 und leistet 18 kW (25 PS). Die Kraftübertragung auf die Hinterachse erfolgt über ein 4-Gang-Getriebe, das zwischen 1943 und 1944 gefertigt wurde.

Alle weiteren VW-Serienteile - der verkürzte Rahmen des Typ 82 ("Kübelwagen"), der Tachometer, die Achsen, Räder und Radkappen sowie die Scheinwerfer, Rückleuchten und der Tank - wurden zwischen 1940 und 1946 produziert. Die seltenen Originalteile stammen aus den Beständen der Stiftung AutoMuseum Volkswagen sowie von Volkswagen Nutzfahrzeuge Oldtimer und privaten VW-Sammlern.

Problem beim Neubau: Es gibt keine Originalpläne!

Die Idee, einen Plattenwagen in der Originalversion 2018 zu bauen, wurde maßgeblich von Gerolf Thienel, Technikhistoriker bei Volkswagen Nutzfahrzeuge Oldtimer, vorangetrieben. Unterstützung fand er bei seinen aktiven und pensionierten Kolleginnen und Kollegen sowie bei den Mitgliedern von "VWN Oldtimer Aktiv", dem Freundeskreis der Stiftung AutoMuseum Volkswagen. Außerdem wurden Zeitzeugen befragt, die den Plattenwagen noch im Einsatz erlebt hatten. 2020 startete das Projekt.


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Eine der Herausforderungen: Originalzeichnungen des Plattenwagens gab es nicht mehr - nicht zuletzt, weil es für den nur werksseitig genutzten Transporter nie einen Volkswagen-Entwicklungsauftrag (EA) mit entsprechender EA-Nummer gegeben hatte. Kurzerhand setzte sich ein Volkswagen-Ingenieur aus dem Ruhestand an seinen Computer und übertrug diverse Fotos und Maße von noch existierenden Fahrzeugen in ein CAD-Programm (Computer Aided Design), sodass das Team den neuen Plattenwagen exakt rekonstruieren konnte.

Neben den alten Bauteilen wurden auch diverse Komponenten neu angefertigt. Dazu gehören der in der VWN-Entwicklung gebaute Rohrrahmen, die Blechteile und die Elektrik. Die neuen Holzbretter für die Ladefläche des Pritschenwagens stammen aus einem Wald in der Nähe des Volkswagenwerkes Wolfsburg.

"Cockpit" des VW Plattenwagen Zoom

Aufgrund der recherchierten historischen Maße war klar, dass der neue Plattenwagen den Maßen der Originalversionen von 1946 folgen sollte. Da die Fahrzeuge damals in Handarbeit gebaut wurden, gab es immer gewisse Abweichungen in den Abmessungen. Der jetzt realisierte Radstand von 1,90 Meter ist jedoch ebenso realistisch wie die Umsetzung der 1,60 Meter breiten und 1,94 Meter langen Ladefläche. Zu den Vorzügen des Pritschenwagens zählt der sehr kleine Wendekreis von sieben Metern - ideal für das Rangieren auf dem Werksgelände von Volkswagen.

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Im März 2022 war der wahrscheinlich beste Plattenwagen aller Zeiten fertig - pünktlich zum Debüt des neuen ID. Buzz. Auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie einigte sich das Team dann darauf, die Premiere des Plattenwagens erst 2023 zu feiern - auf der Techno-Classica in Essen sowie im Rahmen des internationalen VW Bus Festivals in Hannover.

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