Fall Gurlitt
Das lukrative Geschäft mit dem umstrittenen Degas-Pastell

Im Juni 1988 verkauft Kornfeld für Gurlitt ein Degas-Pastell. Das Resultat übertrifft alle Erwartungen.

Oliver Meier und Michael Feller
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Handelt es sich bei Kornfelds Auktionserfolg (600000 Franken) für «Femme à sa Toilette» von Edgar Degas (1834–1917) um eine Fälschung (Ausschnitt)?

Handelt es sich bei Kornfelds Auktionserfolg (600000 Franken) für «Femme à sa Toilette» von Edgar Degas (1834–1917) um eine Fälschung (Ausschnitt)?

Christie's

Eine Frau wäscht sich über der Schale, den linken Arm weit von sich gestreckt, ohne zu wissen, dass sie beobachtet wird. «Femme à sa Toilette» (siehe Bild oben) nannte Edgar Degas (1834–1917) sein Werk, das die Unbekannte in einem intimen Moment zeigt und zugleich in elegant-gespannter Pose – ein Beispiel für die viel bewunderte Pastellmalerei des Franzosen. Am 17. Juni 1988 wird das Werk an der Laupenstrasse 41 in Bern versteigert. Schätzwert: 80 000 Franken. Erlös am Ende: 600 000. Was für ein Erfolg. Der Degas-Handel steht für den lukrativsten Moment in der 23-jährigen Geschäftsbeziehung zwischen Gurlitt und Kornfeld.

Anfang Juli 1988 meldet Auktionator Kornfeld nach München, zwei Nummern hätten sich «weit über Ihre und vor allem auch meine Erwartungen erhoben. (...) Geradezu erschreckend ist es für das Degas-Pastell.» Die Antwort folgt eineinhalb Monate später: «Über die ungewöhnlich günstigen Ergebnisse, die bei Ihnen erzielt werden konnten, habe ich mich ganz ausserordentlich gefreut», schreibt Cornelius Gurlitt nach Bern.

Dass der Erlös so weit über dem Schätzwert lag, dürfte umso mehr Freude bereitet haben, als Gurlitt mit Schwierigkeiten im Verkauf gerechnet hatte. Noch im Januar hatte er festgehalten: «Falls sich gegen das Pastell irgendeine Opposition erheben sollte, wären wir natürlich bereit, es wieder zurückzunehmen.» Wir: Cornelius Gurlitt und dessen Schwester Nicoline, Erben des deutschen Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt.

Ist der Degas eine Fälschung?

Woher rührt die Vermutung Gurlitts 1988, dass sich gegen den Verkauf des Bildes «irgendeine Opposition erheben» könnte? Der Briefwechsel deutet an, dass Kornfeld und Gurlitt an dessen Echtheit gezweifelt haben. Allerdings bleiben auch Provenienzfragen offen. Das Degas-Pastell gehörte zu jenen Werken, die Hildebrand Gurlitt während des Zweiten Weltkriegs in einem Schloss in Oberfranken in Sicherheit brachte. Eine US-Sondereinheit, die auf gestohlenes Kunstgut spezialisiert war, beschlagnahmte das Depot. Das Degas-Pastell gehörte zu jenen Werken, die Hildebrand Gurlitt 1950 zurückgegeben wurden, nachdem er sie als Privatsammlung ausgegeben hatte.

2008 bei Christie’s verkauft

Über die Herkunft des Pastells macht der Kornfeld-Auktionskatalog von 1988 keine Angaben. Im Katalog wird bloss auf das Werkverzeichnis hingewiesen, ohne allerdings den dort genannten Vorbesitzer Charles Comiot in Paris aufzuführen. Es ist eines von vielen Beispielen für fehlende oder unvollständige Provenienzangaben in den Katalogen Kornfelds, in denen konsequent auch der Name Gurlitt fehlt.

Das Degas-Pastell wird 2008 bei Christie’s in London verkauft, für umgerechnet 645 400 Franken. Als Provenienz wird Charles Comiot genannt, dann Kornfeld: Von einem «Anonymous sale» am 17. Juni 1988 in Bern ist die Rede.